Interview 4 – Zur Ausstellung 2013

 

Interviewer: … diesmal ist ja vergleichsweise wenig zu sehen… [schmunzelt]

Pint: Stimmt! Dafür ist es mal ein anderes Konzept!

I: Wie sind Sie darauf gekommen?

P: Ich möchte mit der Aktion des polnischen Kunststudenten Andrzej Sobiepan antworten, der Ende 2011 sein Bild ins Nationalmuseum in Wroclaw gehängt hat, für mindestens einen Tag unbemerkt; die Angaben widersprechen sich. Er wird zitiert, dass er „nicht 30 oder 40 Jahre warten“ wollte, bis seine Arbeiten an einem solchen Ort zu sehen seien… doch verständlich, oder? [schmunzelt]

I: Das ist wirklich passiert?

P: Das habe ich zumindest so gelesen!

I: o.k., „Museum“ wäre vielleicht auch etwas hoch gegriffen, aber hatten Sie nicht immer Möglichkeiten, Ihre Arbeiten zu zeigen?

P: Als ich anfing, mit den Bildern an die Öffentlichkeit zu gehen, gaben mir Freunde glücklicherweise schöne Möglichkeiten, auszustellen. Es wäre immer schon schwierig bis unmöglich gewesen, dafür einen anderen öffentlichen Raum aufzutun, in dem man Kunst sozusagen erwartet. Aus reiner Menschenfreundlichkeit bekommt man solche Chancen als No-Name nicht, und ich bin leider auch niemand, der „einen kennt, der einen kennt, der einen kennt“ – jedenfalls nicht für Ausstellungsgelegenheiten.

I: … und da haben Sie gedacht „häng’ ich’s halt ins Fenster“…

P: Das war eine Entwicklung dahin, keine spontane Idee. Vor kurzem ergab sich – durch unterschiedliche persönliche Ziele der Teilnehmer – relativ plötzlich der Fakt, dass unser letzter Liedberg-Markt [Künstlermarkt im Sandbauernhof Liedberg; fand von 2006 bis 2012 jährlich statt] in dieser Form wirklich der letzte war… nach erstem Schock und tiefem Bedauern dachte ich, dass es für mich auch eine Chance sein könnte, nicht so sehr an dem zu kleben, was man gewohnt ist zu tun und auf das man immer sehr ähnlich hinarbeitet, sondern andere Möglichkeiten und Wege aufzutun. Das gestaltete sich aber für mich ziemlich schwierig. Einigen, selbst solchen, mit denen man schon im Gespräch ist, ist man wochenlang keine Antwort wert, obwohl man die zum Weiterplanen dringend braucht und das auch so kommuniziert, andere drücken sich so vage und schwammig aus, dass man sich auch darauf nicht verlassen kann – ich war ein bisschen verwöhnt in unserem gewachsenen Kreis; da gab es so was einfach nicht. Ich habe aber auch gemerkt, dass ich eine egoistische Art des Umgangs mit mir auch nicht mehr dulden muss und mag, und verzichte dann mittlerweile lieber auf eine Möglichkeit. Also wollte ich etwas finden, bei dem ich mein eigener Herr sein konnte…

I: Dann erzählen Sie doch mal konkret von Ihrer Idee.

P: Ja. Wie fange ich an? [überlegt kurz] Ich hatte 2008 ja eine Ausstellung ins Internet gestellt, die die von mir gewünschte grundsätzlich offene Herangehensweise an Kunst zum Thema hatte – und die übrigens immer noch auf meiner Homepage zu sehen ist. Dort habe ich kurze Statements, verbunden mit einer abschließenden Frage dazu, in virtuelle Bilderrahmen gepackt und diese galerieartig aufgereiht. Mir ging es weniger darum, wie z. B. die Rahmen aussahen, welche Schrift ich verwendet hatte usw., sondern um die Aussagen an sich. Für den Computer fand ich das daher auch grundsätzlich gelungen so. Da die Aussagen für mich nichts an Aktualität eingebüßt haben bzw. mich die dazugehörigen Fragen bzw. möglichen Antworten immer noch interessieren, wollte ich für die Ausstellung ein Comeback und musste mir eine Möglichkeit überlegen, wie ich sie für ein neues Publikum erreichbar machen konnte.

I: Wenn ich kurz zwischenfragen darf: was war denn Ihre Erfahrung mit dem Ausstellen per Internet?

P: Tja, man weiß ja nie so genau, wen da was erreicht… jedenfalls hatte ich relativ wenig Resonanz von den Leuten, die ich darüber informiert hatte, und keine von Fremden, auch nicht über die auf der Seite angebotenen Kontakt- und Diskussionsmöglichkeiten.

I: Ist das nicht frustrierend?

P: Ehrlich gesagt bin ich das gewohnt bei „meinem“ Thema… ich kann mich nach wie vor nur als „Angebot“ [demonstriert die Anführungszeichen] betrachten, das man eben auch ablehnen kann… ich beschäftige mich mit etwas Speziellem, ohne zu einer „Szene“ zu gehören; dann ist das eben so. Eher frustriert mich, dass es so mühsam ist, die Werbetrommel für sich zu rühren, denn das tut man als No-Name eben selbst. Teure Flyer werden nicht nur von denen weggeworfen, die sich einmal dafür interessiert und sie freiwillig mitgenommen haben; zuletzt hatte ich ein schön gestaltetes Heftbuch [steht auf und durchforstet eine Ablage hinter sich, findet das Heft und legt es auf den Tisch], an dem man arm werden könnte, wenn man es zuhauf drucken und kostenfrei weitergeben würde, persönlich adressiert an den Ressortleiter einer Zeitung gegeben, die mich schon kannte. Ich habe es weder zurück erhalten noch etwas von der Zeitung gehört… ist vielleicht auch nicht zu erwarten; was ich damit nur sagen will: so etwas passiert andauernd. Man könnte, wenn man wollte, einen Vollzeitjob nur zur Bewerbung der Person vergeben oder selbst machen – nur bleibt einem dann keine Zeit mehr für’s Eigentliche! Sich dann zu erinnern, wie natürlich und ohne dass man etwas erwartet hätte – ohne dass man sein Tun überhöht hätte – man seine Kreativität mal gelebt hat, hilft nicht nur sehr, sondern hat mich für mein Leben zu einem Fazit geführt: ich starte solche Versuche nicht mehr. Wenn sich auf natürlichem Wege was ergibt – gut. Für’s Netz kann ich selbst texten, ich kann meine Homepage wieder mehr pflegen und auch die wieder mehr bewerben, ab und an werde ich an Flyern oder Ähnlichem nicht vorbei kommen und muss hoffen, dass ein geringer Prozentsatz an Papier bei den mitnehmenden Menschen zumindest eine Zeitlang überlebt…

I: [nickt; legt das Heft aus der Hand] Das ist ja schade… wie meinen Sie das denn, wenn Sie sagen „ohne dass man sein Tun überhöht hätte“?

P: Es hat mich ja immer schon begleitet: ich habe als Teenager die ersten wirklich ernsthaften Schreibversuche gemacht, sogar mal einen Wettbewerb gewonnen [schmunzelt], habe auch schon als Teenager gezeichnet, weil ich es von Kindesbeinen an sah, da mein Vater Musterzeichner war… es waren immer erste Versuche, aber es hat ganz natürlich dazugehört. Bis ich realisierte, dass man kreatives Tun so überhöhen kann, dass es so überhöht wird, dass manche Menschen sagen ‚das ist nichts für mich’, weil sie sich der Sache durch diese Überhöhung nicht nah fühlen. Sie trauen sich schlicht nicht mehr! Und Menschen, die sich das doch trauen, werden kritisch beäugt und man sagt ‚na die’ – wahlweise der – ‚muss ja ‚ne Menge von sich halten, hat aber ein sehr gesundes Selbstbewusstsein’, wobei sie „sehr“ so betonen, dass klar ist, was sie eigentlich sagen wollen: Derjenige soll sich doch bitte bescheiden, nicht so einen Wind um sich machen und vor allem: sich nicht zeigen.

I: Nun zeigen Sie sich aber wieder mit etwas… erzählen Sie doch bitte weiter davon.

P: Ja, also… die Internetausstellung war zugegebenermaßen anfangs ganz klassisch geplant und schon da am Raumproblem gescheitert. So, wie sie konzipiert ist, wär’ das nix gewesen für z. B. Praxis- oder Geschäftsräume… ich brauchte dafür eher ein Umfeld, in dem man „Kunst“ erwartet – so dachte ich jedenfalls. Daher wurde sie dann erstmal zu einer reinen Online-Ausstellung, was ja grundsätzlich wegen der niedrigen Erreichbarkeitsschwelle auch gut war…

I: Sorry, jetzt unterbreche ich schon wieder, aber: warum ist sie denn nicht geeignet für Praxis- oder Geschäftsräume, wie Sie sagen?

P: Es sind keine „netten Bildchen“ [demonstriert die Anführungszeichen], die man gerne anschaut oder auch nicht, und jemand, dem das Thema [betont das Wort] „Kunst“ an sich nicht nah ist, wird sich evtl. denken: was soll der Quatsch. Ich würde sie schon von mir aus keiner z. B. Zahnarztpraxis anbieten… naja, und ich brauchte eine neue Grundform für die einzelnen Bilder – es gab sie ja bislang nur virtuell! Mir kam dann die Idee, beides zu verbinden: weiterhin zu zeigen, dass es etwas aus dem Netz ist, verbunden mit dem im wahrsten Sinne „griffigen“ Leinwandformat. Dazu habe ich das virtuelle Bild fotografiert und dieses Foto dann auf ein 70 x 70 cm großes Leinwandformat drucken lassen. Die sichtbaren Pixel des Bildschirms, die leichten bunten Verfärbungen, die sich beim Abfotografieren eines Bildschirms ergeben, das Zulaufen der Schrift auf einen Fluchtpunkt – all das hat wirklich spannende, greifbare Bilder ergeben! Es sind 10 Stück plus einem, das ein Zitat von Arnold Böcklin zeigt – damit bin ich vorsichtig. Zwei sind bisher gedruckt und hängen in meinen Fenstern zur Straße hin.

I: Also fast so etwas wie Street Art? [schmunzelt]

P: Aber nur fast! „Richtige“ Street Art finde ich toll, aber es wär’ nichts für mich, wenn ich immer mit einem Bein in der Illegalität wäre und mich beim Anbringen meiner Arbeit beeilen müsste, um nicht geschnappt zu werden… außerdem neige ich dazu, niemanden „belästigen“ [demonstriert die Anführungszeichen] zu wollen, und diese Kunstform hat ja immer noch ein bisschen den Ruf, selbst, wenn sie sehr gut gemacht ist. Die Grundidee von Street Art hat aber letztendlich den Ausschlag gegeben, es gerade so zu machen: ich wollte Leute unerwartet konfrontieren, und ich wünschte mir ein so gemischtes Publikum, wie es die Straße hergibt… Kinder, die fragen „Mama, was steht da?“, und die Mama muss es sozusagen lesen, Leute, deren Blick es erst nur streift, aber dann sind sie doch neugierig, was da steht… [überlegt kurz] Bei meinen Ausstellungen in dafür vorgesehenen Räumen, in denen eine Eröffnungs- oder Schlussveranstaltung stattfand, war ich immer dankbar für Familie und Freunde, die mich mit ihrem Besuch unterstützten, aber durch die Jahre drängte sich mir der Eindruck auf, dass sie dort eher mich besuchten und die Arbeiten eine weniger wichtige Rolle spielten. Nun lade ich niemanden ein, aber unter Umständen werden es jetzt eher mehr Leute sehen als jemals auf einer meiner „offiziellen“ [demonstriert die Anführungszeichen] Ausstellungen – und es sind eben Leute, die die Person dahinter nicht kennen.

I: Sie werden aber nicht unbedingt mehr Feedback erleben als bei Ihrer Internet-Variante, und das bedauerten Sie da ja schon…

P: Das stimmt, und das bedauere ich auch! Vielleicht bekomme ich mal etwas zufällig mit… aber das, was wirklich von einer Arbeit „hängenbleibt“, erfahre ich ja auch bei einer klassischen Ausstellung nicht zwangsläufig… eher sogar nicht. Sicher sprachen meine Besucher mit mir, und die meisten äußerten sich eben wohlwollend, weil eben auch selten jemand bei der Gelegenheit sagt ‚Also ich kann mit deinen Sachen so gar nix anfangen’ [lacht], aber ob meine Arbeit in dem einen oder anderen sozusagen „weitergearbeitet“ hat – das erfährt man nicht, und genau das wäre das Spannendste überhaupt an der Sache!

I: Ich möchte noch einmal etwas aufgreifen, das Sie eben erwähnt haben: dass Sie mal einen Wettbewerb gewonnen hätten. Wäre das nicht etwas für Sie, Ihre Sache und sich selbst bekannter zu machen, auf vielleicht – hmmm – „gewinnbringendere“ Art und Weise?

P: Dazu muss ich erst mal sagen, dass solche Wettbewerbe für Erwachsene im malenden Metier nicht so häufig sind – ehrlich gesagt ist mir derzeit kein einziger bekannt. Aber abgesehen davon…: In einem Gespräch mit einer Kreativ-Kollegin habe ich erst letztens wieder gemerkt, wie sehr ich von Wettbewerb jeglicher Art ab bin, als sie beschrieb, dass er in ihrem schreibenden Fach sogar sinnvoll sei, um die Spreu vom Weizen zu trennen sozusagen… ich habe mal auf die Kunst bezogen formuliert ‚es gibt nicht die Spreu und nicht den Weizen, sondern nur die ganze Pflanze’, und diese Erkenntnis festigt sich eher in mir, als dass sie wieder bröckelt.

I [überlegt kurz]: Heißt das, dass man alles zulassen muss?

P: In letzter Konsequenz ja… ich glaube aber auch, dass Menschen, nur weil sie künstlerisch tätig sind, ihren Charakter, ihre Wesenszüge nicht im Flur des Ateliers an einen Haken hängen und dann rein zur Arbeit gehen… ich wäre niemals ein provokanter Mensch in meiner kreativen Arbeit, weil ich Provokation auch sonst ablehne – sie liegt mir nicht; ich kann mit ihr nichts anfangen. Menschen, die insgesamt unvorsichtiger oder frecher in ihrem Leben sind, werden auch immer die frechere Kunst machen, und auch die muss erlaubt sein. Ja, und was dazu kommt: bei mir scheint eine Entwicklung stattzufinden weg von konkreten Bildern, die zwar immer noch entstehen… aber mehr dahin, zu zeigen, wie die theoretische Auseinandersetzung mit dem Kunstbegriff in mir arbeitet und wie ich die Erkenntnisse daraus bestmöglich an ein Publikum bringen kann, um den Leuten – ja: falschen Respekt zu nehmen und Mut zu machen, erst einmal urteilsfrei hinzugucken und dann [hebt die Schultern und macht eine Pause] vielleicht selbst ans Werk zu gehen.

I: Ich danke für’s Gespräch und wünsche Ihnen für Ihr aktuelles Projekt viele Betrachter, in denen es weiterarbeitet und die sich vielleicht demnächst selbst trauen, ihre kreative Seite zu entdecken!

P: Vielen Dank!

 

[Das Interview wurde privat geführt und aufgezeichnet im Sommer 2013]

 

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